Wir haben unsere Suchnotiz in Justin (ich erinnere an den letzten “Ksero”-Bericht!) verteilt. Es ist erstaunlich wie verwinkelt ein Dorf sein kann.
Aber: die wichtigen Häuser haben Post!
Hoffen wir, dass vielleicht doch noch jemand aufgerüttelt wird. Nebenbei sind wir eher zufällig durch Knurrbusch gefahren. Der Ort ist klein aber sehr modernisiert, das spannendste war vermutlich das Ortsschild mit einer restaurierten Scheune dahinter.
Außerdem wollten wir bei dem Aufgetürmten Berg alter Grabsteine an der Kirche von Groß-Justin schauen, welche sich noch lesbar machen lassen.
Auf ein Unschichten der Steine mussten wir ohne Genehmigung freilich verzichten. So konnten wir nur die Steine die “oben auf” lagen bearbeiten.
Da die jetzige Kirche von Groß Justin die ehemalige altlutherische Kirche war, dürfte es sich also vermutlich um deren Gemeindeangehörigen gehandelt haben.
Wir haben alle Steine abgebürstet und die Schrift mit Alufolie kopiert. So konnten wir auch schwierige Schrift wieder sichtbar machen.
Außerdem schwirrte mir noch der Bericht über den anderen alten Friedhof von Groß Justin aus 2010 im Kopf herum (zum Bericht). Nicht, dass nicht auch in Deutschland Friedhöfe entwidmet würden – das gibt es bei uns auch – aber Gebeine einfach irgendwo ablagern macht einen schon traurig und nachdenklich.
Von Groß Justin sind wir über eine alte Kopfsteinpflasterstrasse, die irgendwann besser als kopfsteinpflasterbefreite Buckelpiste besser zu beschreiben wäre, nach Dresow gefahren, denn hier wollte wir unsere Suchanzeige auch aushängen.
In Dresow habe ich einen zweiten Versuch unternommen, das Gut besichtigen zu dürfen.
Ich habe also vorne bei den Anwesenden zwei Männern am Eingang radebrechen vorgesprochen. Und – plötzlich waren alle ganz freundlich und erlaubten uns das Ansehen. Mit wilden Gesten erklärte man uns, dass im hinteren Teil ein Hund angebunden sei (er zeigte etwa kniehoch – tatsächlich war es ein ausgewachsener Schäferhund!) ubd wie wir drum herum laufen sollen. Toll!
Jetzt durften wir uns also auf dem Gut umsehen!
Wir sind zum Schloss hoch und konnten durch die Fenster nicht nur sehen, dass dort aufwändig an der Sanierung / Erhaltung gearbeitet wird. Der Stück ist teilweise noch erhalten, und auch ein alter Kachelofen.
Auch eine alte Kochstelle war von außen zu sehen.
Während wir noch so in der lost-Place-Stimmung schwelgen stürmt über den Hof eine wild gestikulierende Frau heran. Da wir am Eingang zum Hof unsere Suchanzeige abgegeben haben, denke ich noch ganz unschuldig, sie hat vielleicht Hinweise für uns.
Weit gefehlt. Erst spricht sich mich auf Englisch an, dann etwas auf Polnisch. Als ich ihr antworte, dass ich das leider nicht verstehe, legt sie mal auf flüssigem Deutsch so richtig los.
Wir wären schmutziges verlogenes Pack und könnten die Privat-Schilder nicht beachten. Das wäre in Deutschland auch verboten! Man solle die Polizei rufen wegen uns.
Wir haben ihr erklärt, dass wir extra gefragt hätten und der Mann uns noch den Weg um den Hund herum gezeigt habe.
Nun, das gab ihr noch neues Futter. Schließlich habe der Mann uns das ausdrücklich verboten den Hof zu betreten und “von Ihrer Sorte haben wir hier täglich welche”. Ihre Beschimpfungen nehmen neue Formen an und ich verzichte daher hier auf eine Wiedergabe.
Ich bin baff. Wir haben schließlich extra gefragt um in das Gutsinnere zu gehen, entlang der alten Stallungen etc. und der Mann hat uns gefragt, ob unser Opa zur Gutsherrenfamilie gehörte, was wir wahrheitsgemäß verneint haben. Ernte- und Schmiedehelfer sind nicht wirklich herrschaftlich.
Während der weibliche Orkan sich in immer dolleren Beschimpfungen über uns ergießt und sie unserer Erklärung keinerlei Glaube schenkt – wir dürfen nicht Mal ausreden -bemerke ich einen älteren Herren neben mir, der immer nur auf Deutsch “sei ruhig” zu ihr sagt. Und so geht die Frau dann auch -meckernd, moppend, beschimpfend.
Ich bin immer noch entsetzt. Zu Unrecht als verlogenes, dreckiges Pack beschimpft zu werden, als Lügner und ohne Möglichkeit der Erklärung gilt wohl in allen Kulturen als mies. Egal ob in Polen oder Deutschland.
Das war definitiv kein Beitrag zur Völkerverständigung und gespickt von tiefem Hass gegen Deutsche.
Der ältere Herr spricht dann ganz ruhig und freundlich mit uns. Das Gut gehöre einer GmbH. Er sei 1/3 der GmbH, die Frau und ihr Vater die anderen zwei Drittel. Er selbst sei im Westfälischen bei Ibbenbüren geboren und kam vor 20 Jahren nach Dresow. Da Deutsche in Polen nicht alleine Wirtschaften dürften, habe er im Vater der Dame (ursprünglich deutsche Familie, seine Mutter blieb nach dem Krieg in der Pommerschen Heimat In der Nähe der Bütower Berge) einen Kompagnon gefunden. Er habe das nötige Geld in die GmbH eingebracht. (An der Stelle können wir die Abneigung der Däne noch weniger verstehen… Könnte es doch sein, dass ihr ohne diesen Umstand vermutlich auch kein Gut anteilig gehören würde)
Heute habe die GmbH knapp 200 Stück Rinder für die Fleischproduktion und 450 Hektar Land.
Vorher habe das Gut wie viele andere Höfe einem Spanier gehört, der seine Bestände verringern wollte.
In der Zeit habe es auch eine norwegische Künstlerin am Hof gegeben. Von einer Künstlerin bei der man auf dem Gut Kaffee bekam bei einem Besuch hat auch ein Freund meines Grissvaters mir erzählt!
Das Wohnhaus am nördlichen Ende des Gutes stünde unter polnischer Treuhand, die das Haus bzw. die Wohnungen an Familien vermietet.
So gingen wir “klönend” wie man so sagt, zurück zur Hofzufahrt. Die Dame stand dort noch und meckerte noch einmal laut herum. Sie musste auch warten, denn der ältere Herr hatte den Autoschlüssel für das Auto in dem sie offenkundig mit ihm her gekommen war.
Von dem Herren haben wir uns freundlich verabschiedet, nochmals gedankt und sind dann gefahren.
Die Dame haben wir nicht beachtet – das war sie nach ihrem Betragen auch nicht mehr wert!
Tagesausbeute:
Ein netter Herr, der uns den Weg gewiesen hat, vorausgefahren ist und uns an der passenden Kreuzung mitten im Nirgendwo nochmals die Richtung zum Abbiegen angezeigt hat.
Ein netter Herr, der uns wirklich bei der Suche helfen wollte aber keine Zeit hatte und nur wenig Deutsch konnte.
Ein netter 84-jährigem Gutsteilhaber, der einiges erklärt hat.
Und als krönenden Abschluss eine jeder Beschreibung entbehrende Dame, der ich ob ihres ungehörigen Verhaltens auch jetzt noch gerne die Leviten lesen möchte.